Mehrwertsteuerliche Folgen von Verrechnungspreisanpassungen: Was Unternehmen mit EU-Tochtergesellschaften 2025 wissen müssen

Umsatzsteuerliche Konsequenzen von Verrechnungspreisanpassungen

Was Unternehmen mit EU-Tochtergesellschaften 2025 wissen müssen

Lange Zeit wurde allgemein davon ausgegangen, dass Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer, MwSt) und Verrechnungspreise unabhängig voneinander funktionieren und sich nicht gegenseitig beeinflussen.

In den letzten Jahren haben Steuerbehörden jedoch verstärkt versucht, Verrechnungspreisanpassungen mit der Umsatzsteuer zu verknüpfen, um zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Sie argumentieren häufig, dass eine Anpassung der Verrechnungspreise den Wert einer Transaktion verändert und daher auch die darauf entfallende Umsatzsteuer beeinflussen müsse.

Dieser Ansatz führt in der Praxis zu erheblichen Herausforderungen und kann potenziell zu beträchtlichen nachträglichen Umsatzsteuerforderungen führen. Wenig überraschend lehnen Unternehmen diese Interpretation häufig ab, und es kam bereits zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Wechselwirkungen zwischen Umsatzsteuer- und Verrechnungspreisregelungen

Das zentrale Problem liegt in den grundlegend unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Systeme:

  • Aus Sicht der Umsatzsteuer ist die Bemessungsgrundlage in der Regel das tatsächlich für eine Lieferung oder Leistung gezahlte Entgelt. Zwar entspricht dies oft dem Marktwert, doch die Umsatzsteuer verlangt im Allgemeinen keine Preisgestaltung zum Marktwert – außer in bestimmten Missbrauchsfällen, die in den Artikeln 72 und 80 der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelt sind. Diese Bestimmungen sollen verhindern, dass konzerninterne Transaktionen zu ungerechtfertigten Umsatzsteuervorteilen führen, insbesondere dann, wenn der Vorsteuerabzug nicht vollständig möglich ist.
  • Das Verrechnungspreisrecht hingegen zielt darauf ab, den Fremdvergleichspreis für Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen festzulegen. Dabei können konkrete Transaktionspreise analysiert oder Gewinnspannen geprüft werden, um das Ergebnis zu bestimmen, das unter unabhängigen Marktteilnehmern zu erwarten wäre.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Grundprinzipien ist es nicht einfach zu bestimmen, wie sich Verrechnungspreisanpassungen auf die Umsatzsteuer auswirken sollten.

Eine Verrechnungspreisanpassung zeigt in der Regel an, dass der Wert einer konzerninternen Transaktion nicht dem Fremdvergleich entsprach und korrigiert werden muss. Für die Umsatzsteuer spielt es jedoch grundsätzlich keine Rolle, ob ein Preis über oder unter dem Marktwert liegt – maßgeblich ist das tatsächlich erhaltene Entgelt, außer in den eng begrenzten Fällen der Missbrauchsverhinderung.

Darüber hinaus verlangt die Umsatzsteuer einen direkten Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Zwar könnte eine Verrechnungspreisanpassung theoretisch die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage beeinflussen, in der Praxis beruhen die meisten Anpassungen jedoch auf Gewinnanalysen und nicht auf der Neubewertung einzelner Lieferungen oder Leistungen. Daher lassen sie sich oft nicht eindeutig einzelnen Transaktionen zuordnen.

Aus diesem Blickwinkel sind umsatzsteuerliche Anpassungen in der Regel nicht erforderlich – es sei denn, die angewandte Methode weist eindeutig auf konkrete betroffene Transaktionen hin. Offizielle Leitlinien, die diese Sichtweise bestätigen, gibt es derzeit jedoch nicht.

Ein weiterer Aspekt ist, ob durch Steuerprüfungen veranlasste Anpassungen überhaupt zu umsatzsteuerlichen Konsequenzen führen sollten, da diese in der Regel nur das geprüfte Unternehmen betreffen – nicht aber den Vertragspartner der Transaktion.

 

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

Im Jahr 2025 erhoffte man sich mehr Klarheit durch zwei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH):

  1. Arcomet Tower Crane (Rechtssache C-726/23): Hier musste der EuGH klären, ob Zahlungen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft, die aus einer Verrechnungspreisanpassung resultieren, als Entgelt für eine Leistung im Sinne der Umsatzsteuer zu betrachten sind.
    Der Generalanwalt vertrat die Auffassung, dass diese Zahlungen als umsatzsteuerpflichtige Gegenleistung für eine Dienstleistung zu behandeln seien. Obwohl diese Stellungnahme nicht bindend ist, üben die Schlussanträge des Generalanwalts häufig erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts aus – was darauf hindeuten könnte, dass die Umsatzsteuerregeln Vorrang vor den Grundsätzen des Verrechnungspreisrechts erhalten könnten.
  2. Högkullen AB gegen Skatteverket (Rechtssache C-808/23): In diesem Verfahren ging es darum, ob Dienstleistungen einer Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften zum Marktwert abgerechnet werden müssen. Die schwedische Steuerbehörde argumentierte, dass nur teilweise Weiterbelastungen (ohne Gemeinkosten) einen umsatzsteuerlichen Vorteil verschaffen würden. Der EuGH stellte jedoch klar, dass jede Dienstleistung einzeln zu prüfen sei und nicht als einheitliche gebündelte Leistung betrachtet werden dürfe.

Beide Verfahren zeigen, dass der EuGH sehr vorsichtig vorgeht, wenn es um die komplexe Schnittstelle zwischen Verrechnungspreisanpassungen und Umsatzsteuer geht. Trotz dieser Urteile liegt jedoch bislang keine umfassende Orientierungshilfe vor.

 

Risiken bei Nichtbeachtung

Das größte Risiko besteht darin, dass Steuerbehörden in der EU künftig verstärkt bestimmte Verrechnungspreisanpassungen als umsatzsteuerpflichtige Leistungen einstufen könnten.
Die Ansicht des Generalanwalts im Fall Arcomet deutet darauf hin, dass die Umsatzsteuerregeln das Ergebnis von Verrechnungspreisprüfungen möglicherweise überlagern könnten.

Unternehmen mit Tochtergesellschaften in der EU sollten ihre Verrechnungspreisanpassungen daher sorgfältig überprüfen, um sicherzustellen, dass diese nicht unbeabsichtigt Umsatzsteuerpflichten auslösen.

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